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Rundbrief 1 | Wundheilungsstörung und seelisches Trauma

by admin on March 28th, 2010

Angeregt durch die „zufällige“ Beobachtung einer überraschenden Wundheilung nach psychosomatischer Intervention, wurden seit 199o alle Patienten mit chronischen Wunden in der Plastisch-Chirurgischen Abteilung unseres Hauses psychosomatisch untersucht und, abhängig von der Bereitschaft der Betroffenen, konsiliarisch mitbetreut.

Ziel der Studie: Prüfung anhand der gesammelten Beobachtungen, was die Psychosomatik zum Verständnis schlecht heilender Wunden und zu den interdisziplinär zu entwickelnden Behandlungsleitlinien beitragen kann.

Methode: Biographische Anamnesen, konsiliarische Wundvisiten und Folgegespräche.

Ergebnisse: Alle untersuchten Patienten (n=3o) leiden unter einer lange schwelenden „seelischen Wunde“, einem belastenden, geheimgehaltenen Familientrauma mit symbiotischer Bindung an die traumatisierenden Beziehungspersonen. In 11 Fällen schloß sich die körperliche Wunde erstmalig und anhaltend, ohne erneute chirurgische Intervention, nachdem sich die Betroffenen verbal und affektiv öffnen konnten. In 3 Fällen war die erneute Deckung mit Spalthaut – nach Abstoßung bei vorherigen Versuchen – erfolgreich. In 8 Fällen war die Veröffentlichung biographischer Traumen von heftigem Agieren (Angstanfällen, Wutausbrüchen, Weglaufen) mit Spaltung („gute“ Chirurgen/“böse“ Therapeuten oder umgekehrt) begleitet mit relativer Besserung der Wundsituation. In den restlichen 8 Fällen kam es ansatzweise zu Trauma-Veröffentlichung ohne spürbare affektive Beteiligung und ohne Veränderung der Wundsituation (bei 3 von diesen später zu Wundheilung).

Zusammenfassung: Chronische Wunden können ein Hinweis auf seelische Traumatisierung sein; deren Aufdeckung und affektive Bearbeitung – eingebettet und geschützt in einer therapeutischen Beziehung – kann die Wundsituation drastisch bessern. Je nach Konstellation können die psychosomatischen Interventionen die chirurgischen Maßnahmen hilfreich begleiten (d.h. die günstigen Bedingungen zum Greifen chirurgischer Eingriffe fördern) oder chirurgisches Handeln (vorübergehend oder dauerhaft) sogar ersetzen, wobei die weitere rezeptiv-affektive beratende chirurgische Begleitung unerläßlich ist.

M. Kütemeyer

– Chronische Wunden und psychisches Trauma. Psychotraumatologie 3 (2oo2) 29-41
– Wundheilungsstörung und seelisches Trauma. In: Hontschik B (Hrsg)  Psychosomatisches Kompendium der Chirurgie, 237-48, Marseille, München 2oo3

Kütemeyer M1 Jung H2, Eren S3, Ghofrani A³, Reifenrath M3, Krein R3

1Abteilung Psychosomatik, 2Allgemeinchirurgie, ,3Plastische Chirurgie, St. Agatha-Krankenhaus, Köln-Niehl