Das Alphabet der Affekte als psycho-somatisches Diagnostikum
Dissoziative Körperstörungen – durch Konversion unverarbeiteter traumatischer Erlebnisse entstanden -, nehmen oft neurologische Gestalt an (Schwindel, Schmerzen, Lähmungen, Hyperkinesen). Sie manifestieren sich nach strengen, psychodynamisch verstehbaren Gesetzmäßigkeiten. Sie folgen einem eigenen affektiven Alphabet, einer eigenen Grammatik und sind durch unverwechselbare klinische Merkmale zu erkennen: Sie äußern sich
– exzessiv, entsprechend der Intensität des Affekts, der erinnerten traumatischen Erfahrung
– akut, mit plötzlichem Beginn und im Verlauf anfallsartig aufgrund akuten Zusammenbruchs der Abwehr mit plötzlichem Anstieg des „Affektbetrags“,
– unanatomisch, z. B. dissoziative Lähmung und Tremor rumpfnah im Gegensatz zur distal betonten zerebralen und radikulären Lähmung oder dem extrapyramidalen Tremor. Sie sind
– resistent gegen Medikamente, verschlimmern sich nach invasiven Eingriffen (Retraumatisierung), mildern sich durch respektvoll affektive Kommunikation.
Jeder Affektkonstellation (z.B. Angst oder Depression) entspricht eine spezifische Symptomdynamik, so dass der Arzt / Psychologe / Psychotherapeut anhand der Körperbeschwerden die affektive Befindlichkeit des Patienten klar erkennen – und benennen – kann. Angstsymptome manifestieren sich überwiegend anfallsartig und wechselnd bewegt, depressive Körpersymptome dagegen statisch, eintönig und persistierend. Schwindel, ein kardinales Angstsymptom, gehört deshalb nicht zur Depression.
Das Alphabet der Affekte ist ein Instrument zur sicheren Spontandiagnose dissoziativer Körperstörungen und auch ein Leitfaden in der Psychotherapie.
Siehe unter Publikationen:
Kütemeyer M (2003b) Psychogener Schmerz als Dissoziation. ..
Kütemeyer M (2007) Normopathie …
Kütemeyer M (2006a) Hysterie gestern und heute. Die Bedeutung Piere Janets …
Kütemeyer M (2008) Die dissoziative Wunde …
Kütemeyer M (2009) Karzinomschmerz – ein dissoziatives Phänomen …
Kütemeyer M, Schultz-Venrath U (1996) 888-890, (1996a) 1083-1084
Kütemeyer M, Masuhr KF (2008) Zur ICD-10 …